Eine Sitzung der Eiskalten Brüder aus der Sicht eines Redners
„Helau, Ihr Leit!“ – Bühneneingang. Egal welcher: TGM-Halle, Schloss, Rheingoldhalle, Halle 45. Du kommst an und bist direkt angekommen. Immer wuseln diverse Mitglieder der Eiskalten Familie da rum. „Geht’s Dir gut? Alles klar?“ Hinter der Bühne ist das keine Phrase, sondern eine Frage. Ernst gemeint. Nicht nur wegen der Sitzung. Klar: Wer auf der Bühne steht, sollte gut drauf sein. Aber hier geht es um mehr: Hier ist eine große Wertschätzung untereinander. „Ja, alles gut. Ich geh‘ erst mal zu Tobi.“ Tobias ist unser Regisseur, er hat die Zügel in der Hand. Sorgt dafür, dass alles wie am Schnürchen läuft. Nicht allein natürlich, sondern zusammen mit dem besten Fastnachts-Bühnendienst, den ich kenne. Oder den es gibt? Oder den es je gab? Ist alles richtig. Emotional alles Ehrenamtler, qualitativ alles Vollprofis. Einer der wichtigsten Gründe, warum man direkt nach der Ankunft auch gleich angekommen ist.
Etwas Kribbeln ist immer
Von der Bühne schallt Andreas Schmitt vertraute Stimme durch die Kulissen. Die Sitzung läuft schon ne Weile. Wer ist gerade draußen auf der Bühne? Wer war schon dran? Eine Orientierung, ein Blick auf den Ablauf. Der hängt in der Garderobe. Alles klar. Es ist noch Zeit. Wer ist denn alles da? Ah, Paco & Paco. Ihren Auftritt haben sie schon hinter sich - haben die Halle gerockt. Die Stimmung auf den ersten Höhepunkt gebracht. „Super Publikum“, sagen sie. Wundert mich nicht. Ist bei uns eigentlich immer so. Trotzdem hört man es gern.
„Bist du eigentlich aufgeregt vor dem Auftritt?“ werde ich oft gefragt? Nein, nicht wirklich. Also nicht, wenn die Kampagne läuft. Wirklich aufgeregt bin ich nur ein paar Tage vor der ersten Sitzung. Zu Hause. Im Wohnzimmer. Da ist meine Frau mein erstes Publikum. Wenn der Vortrag bei ihr gut ankommt, ist alles gut. Dann ist die größte Aufregung weg. Beim ersten Auftritt kommt die Aufregung dann noch mal für einen kleinen Moment zurück. Die ersten Zeilen, der erste Tusch. Applaus. Läuft! Ab dann ist sie weg, die Aufregung. Dann ist Spaß satt. Und nur ein bisschen Kribbeln vor jedem neuen Auftritt in der Kampagne. Das ist immer. Zum Glück. Denn ohne dieses Kribbeln kämen keine hundert Prozent. Und die müssen es mindestens sein – besser Einhundertelf. Aber bei der Sache mit der Aufregung kann ich nur für mich sprechen. Das ist bei jedem anders – ganz individuell.
Die Sitzung hinter der Sitzung
Nochmal zurück hinter die Bühne. Da ist es immer lustig. Wenn so ein paar Fastnachter zusammenkommen. Die einen waren schon auf der Bühne, die anderen haben noch etwas Zeit. Jeder hat was zu erzählen: von anderen Auftritten, anderen Sälen, lustigen Begegnungen. Und weil wir das alle auf unsere Art tun, jagt manchmal bei diesen Gesprächen ein Gag den anderen. Das ist dann schon mal wie eine kleine Sitzung hinter der Sitzung.
Da kommt Max mit dem Headset. Er setzt mir das Mikro auf, richtet es aus und schaltet den Sender ein. Jetzt geht es gleich los. Am liebsten stehe ich die letzten paar Minuten vor dem Auftritt hinter dem Bühnenvorhang und höre zu. Das klappt oft – aber nicht, wenn das Ballett vor mir dran ist. Dann wird brav in der Garderobe gewartet, denn dann geht es rund direkt hinter der Bühne. Wenn die Damen in Rekordzeit das Outfit wechseln. Da würde man nur im Weg rumstehen. Und das gibt’s nicht – unser Regisseur haben eben alles im Griff.
Wolle mer’n roi lasse?
Jetzt gleich darf ich raus. Vor mir ist nur noch der Vorhang. Die Bütt ist schon draußen. Rechts und links von mir stehen die Uffstumber. Sie bringen mich gleich raus. „Ist das nicht ein komisches Gefühl in der Bütt, wenn man das Komitee im Rücken hat?“ fragte mich mal jemand. „Nein“, habe ich geantwortet: „Kommiteeter sind eine ganz besondere Spezies mit einer ganz speziellen Gabe. Sie sind die einzigen Menschen, die komplett hinter dir stehen obwohl sie alle sitzen.“
Die beiden Uffstumber klopfen mir auf die Schulter. „Wolle mer’n roi lasse?“ fragt Andreas, unser Sitzungspräsident? „Eroi mit em!“ ruft der Saal. Der Vorhang geht auf, der Narrhallamarsch erklingt und es geht raus. Auf die Bühne. In die Bütt. Tusch! Ein Blick nach links zu unserem Dirigenten. Er nickt. Ihr, das Publikum schaut gespannt. Herrlich! Los geht’s: „Als Stadtschreiber von Mainz am Rhein …“
Axel Zimmermann