Presse

Presse 2015

Magazin -Die Bütt 01/15 Nr. 147

Allgemeinen Zeitung Mainz
vom 02.04.2015

ALLGEMEINE ZEITUNG MAINZ
VOM 10.02.2015

Zwischen Lachen und Weinen

Von Michael Bermeitinger


ALT-GUNSENUM  Eiskalte Brüder zeigen brillante Sitzung  -  und nehmen warmherzig Abschied von Jürgen Dietz

MAINZ - Es war ein Wechselbad der Gefühle bei den Eiskalten Brüdern. Da waren die vielen traurigen Gesichter vor der Sitzung, dann fast sechs Stunden ausgelassenes Alt-Gunsenum, bis sich im Finale beim Gedenken an Jürgen Dietz unter die Ovationen Tränen mischten. Selten lagen in der Fastnacht Lachen und Weinen so dicht beieinander wie an diesem Sonntag, galt es Freude und Trauer zu verbinden. Und die Gonsenheimer erwiesen sich dieser schweren Aufgabe bei der 62. Ausgabe ihrer Traditionssitzung als würdig.

Allen voran Sitzungspräsident Andreas Schmitt, der wie kein Zweiter sein Amt als ganz eigenständigen, durchaus unberechenbaren Programmpunkt zelebriert. Stets souverän, brachial bisweilen - ein barocker "Wammesferscht" wie gemalt. Zu den Zutaten gehört stets der mal feine, mal grobe, aber immer witzige Spott über Finther und Wiesbadener, wie ihn Protokoller Andreas Keim beherrscht. Doch nicht nur die alten Freunde bekamen ihr Fett weg: Er ernannte Bürgermeister Beck zum "Grundsteueranhebungsbeauftragten" und sang für Rainer Brüderle und dessen FDP ein "Heile, heile Gänsje."

Die Premiere von Svenja Heigert, die ihre Umwelt mit dem "Virus humoris carnevalensis" infiziert, war so mutig wie erfreulich, während Wolfang Schneider mit seinem durchaus umjubelten "Rentner"-Vortrag auf altbewährte Mimik und Komik setzte. die man freundlich gemeint als Hommage an Norbert Roth verstanden haben könnte.

Feinste Eigengewächse dafür die beiden Sängergruppen der Eiskalten, die witzigen, phantasievollen "Spinatwachteln" und die stimmstarken Eisbären (inklusive Eisbärin). Großartig das traditionelle Zwischenspiel von Komitee und allerlei Promimitstreitern, das das Weihnachtsmarkt-Chaos und im ganz Speziellen Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte aufs Korn nahm. Da prüft die Sitte-Polizei das Angebot, wirbt OB Michael Ebling fürs neue, internationale Flair, was wiederum "Nikolaus" Andreas Schmitt explodieren lässt... wenn auch nicht nach Drehbuch. Das wieder greift Ebling auf, und es entspinnt sich ein brüllend-komischer Schlagabtausch zwischen zwei Rampen-... Profis. Dass ausgerechnet ein Finther seinen Text vergisst und sich der arabische Weihnachtsmarkt-Investor als Wiesbadens OB Sven Gerich entpuppt, macht den lärmend-fröhlichen Wahnsinn komplett - bis Sabine "Mutter Moguntia" Flegel den Weihnachtsmarkt quasi im Alleingang rettet. "Paco und Paco" waren brillant wie immer, der absolute Abräumer war aber Marcus Schwalbach. Er schildert die Fastnachtserlebnisse mit seinem Freund Knörzje, ein Vortrag voller absurder Einfälle und feiner Komik. Herausragend, wie es ihm gelingt, stets seinen gleichmütig-unbeteiligten Gesichtsausdruck beizubehalten, während der Saal (unübertrieben) vor Lachen brüllt. Groß auch der Auftritt der Dorfmusik mit einem feingliedrigen Auftritt des Gonsenheimer Conchita-Wurst-Pendants Paula Blunz alias Andreas Schmitt.

Und dann - inmitten des Eisbären-Finales - der Moment des Abschieds von Jürgen Dietz, der viele Jahre die Sitzungen der Eiskalten als Meister der Anspielung mit feinsinnigem und treffsicherem Wortwitz bereichert hatte. Unter den Klängen der Melodie, die Jahr für Jahr seinen Auftritt eingeleitet hatte, wurde sein Rednerpult mit dem Bundesadler auf die Bühne getragen, spendeten die Narren stehend dem Verstorbenen sehr lang anhaltenden Beifall. Ein warmherziger Abschied.